Mein Gewaltpotenzial, das Früher und Jetzt.

Während des mehr als sechsstündigen Rekordtelefonats mit meiner früheren Bar-Kollegin haben wir viel über unsere Vergangenheit geredet. Wie bereits gesagt, scheint mir momentan die Sonne aus dem Arsch 😆, und ich bin sternenguckermäßig-verflufft unterwegs, dank Wolf. 💖

Im Laufe des Gesprächs habe ich aber auch thematisiert, wie creepy es eigentlich ist, dass ich bis heute nicht weiß, *WER* mich nach dem Krankenhausaufenthalt in meinen ersten drei Lebensmonaten (= Frühgeburt. Zu kleine Lungen. Lebensbedrohlich unterernährt. Salmonellenträger.) in ein Flugzeug gesteckt und tausende Kilometer nach Deutschland ausgeflogen hat.

Dass dafür Unmengen an Geld geflossen sind, und mich die beiden Leute, bei denen ich im Anschluss aufwuchs, bis zu meinem Eintreffen vor Ort *NIE* gesehen hatten. Dass ich in diesem Rahmen sowieso bloß eine Funktion erfüllen sollte: nämlich deren Ehe retten, ein Bild von superheiler Familie mitkonstruieren, ihnen Zuneigung geben und somit ihrem Leben (und ihren eigenen Gewalterfahrungen) Sinn verleihen. Zweifelsohne drehte es sich niemals um mich als Mensch, sondern ausschließlich darum, inwieweit ich deren Bedürfnisse befriedigen konnte.

Spoiler: ES GING SCHIEF. 😅

Es ging dermaßen schief, dass ich bereits als Kind mit riesigem Aggressionspotenzial ausgestattet war (= schon mit circa sieben Jahren hatte ich Mordphantasien und meistens ein Messer bei mir), gleichzeitig aber mit regelmäßigen Suizidgedanken herumlief: nicht, weil ich mich selbst hasste, sondern weil ich einfach WEGWOLLTE- (!)

Die frühere Selbstisolation war da sozusagen ein Kompromiss, um weder andere, noch mich selbst zu töten, auch wenn ich es zu jener Zeit noch nicht in diese Worte hätte fassen können-

Worüber ich ebenfalls nachdenke ist, wie oft ich den Pornokonsum meines Pflege-„Vaters“ mitbekommen habe, wie er mir (Liebes-)Briefe unter meiner verschlossenen Tür durchschob, weil es zwischen ihm und der Pflege-„Mutter“ nicht mehr lief, und wie der Internetbrowser in dem Haushalt voll war mit Pornoseiten, die u.A. Gerade-so-Teenager meiner eigenen Ethnie zeigten- 💀

Wie oft die „Mutter“ aus Eifersucht körperlich und verbal auf mich losging, anstatt mir zu helfen, wie oft ich mich *überhaupt* habe prügeln müssen, und ich KANN mich prügeln, wie nur was, sonst wäre ich auch längst tot.

Und, wie sich absolut *NICHTS* in meinem Leben sicher anfühlte, weil ich von Haus aus nachts mit dem Auto verfolgt, meine sozialen Kontakte überwacht, meine Telefonate, Brief- und E-Mailwechsel mitgeschnitten, meine Schlaf- und Essgewohnheiten protokolliert wurde/n, und die „Eltern“ sogar meinen MÜLL archivierten, wenn ich nicht gerade draußen in der Welt zusammengeschlagen, von Dritten missbraucht oder generell mit dem Tode bedroht wurde-

(Mein Grillplattenfreund sagt immer: „Diese Täter dürfen dich nie wiedersehen!“ Recht hat er. Ich halte mich schließlich seit knappen acht Jahren geflissentlich fern- 😇)

Wenn ich dann auch noch überlege, dass ich einst zwei Rennmäuse hatte, an deren Namen ich mich nicht erinnere (= Lebensdauer: etwa drei Jahre), dass es Phasen gab, in denen ich über Stunden wachkomaartig in einem Stupor lag und dass meine Ärzte allesamt totalüberfordert waren, weil auch das, was ich gerade erzähle, nichts ist im Vergleich zum ungesagten Rest… Mh.

Aber ich sitze jetzt hier. Bei Wolf. Mit ihm – und heute – bin ich sicher.

Seinetwegen weiß ich, was (sexuelle) Selbstbestimmung ist, dass jeder Mensch jederzeit: „Nein“ sagen darf, und dass ich einfach *ICH* sein soll… Weil er mich gefühlt täglich filmreif auf einer Bühne küsst. 💖

Alles Liebe euch: und lasst euch nicht coronisieren!

VVN

22 Kommentare zu „Mein Gewaltpotenzial, das Früher und Jetzt.

  1. Das sind so Momente, wo man dann nicht recht weiß, was man schreiben soll, obwohl einem einiges durch den Kopf geht.
    Ich freue mich wahnsinnig für dich, dass dir, seid ich dich hier lese, die Sonne aus dem Allerwertesten scheint. Und ich wünschte, sie schien schon weitaus länger. ☀
    VG Sandra

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    1. Liebe Sandra, ich habe mich wirklich sehr über deinen Kommentar gefreut! Und ich kenne dieses Gefühl, „nicht zu wissen, was man schreiben soll“. Du hast aber genau die richtigen Worte gefunden. Danke dir dafür! 😊

      Herzliche Montagsgrüße! VVN

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  2. Da hattest du schon ein verdammt hartes und schmerzvolles Leben… Dass du mit deiner Familie keinen Kontakt mehr haben möchtest, kann ich sehr gut nachvollziehen. Zwischen meiner Familie und mir ist auch seit etlichen Jahren schon vollkommene Funkstille, diese Konsequenz musste ich treffen, sonst hätte mir das in einer ungemein schwierigen Zeit vermutlich schlimm zu schaffen gemacht… Außerdem hatte ich noch nie ein Faible für LügnerInnen, BetrügerInnen und AluhutträgerInnen…
    Hab es fein, und möge dir die Sonne noch sehr, sehr lange aus dem A*** scheinen.

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    1. Dein NICHT-Faible teile ich von Herzen! Und es ist immer „schön“ (in Ermangelung eines besseren Begriffs) auf jemanden zu treffen, der den Schritt zum völligen Kontaktabbruch nachfühlen kann! 🙂

      Viele Menschen sind dann sehr entsetzt: „Wie kannst du nur, die Familie ist doch das Allerwichtigste, man muss doch die Eltern ehren, blablabla-“ Das kennst du ja sicherlich!

      Und ich denk mir: „Mitnichten. Ich ehre diejenigen, die mir mit Achtsamkeit, Liebe und Wertschätzung begegnen- NUR diejenigen.“ Daher: Glückwunsch zu (auch) deiner Entscheidung… Denn wer so eine „Familie“ hat, braucht keine Feinde mehr- 😒

      Solidarische Grüße! VVN

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    1. Liebe Rosa, tausend Dank! Ich wünsche dir ebenfalls nur das Beste und lese immer bei dir mit, auch wenn ich nicht jedes Mal kommentiere! 🙂

      Lass es dir gutgehen und hab einen großartigen Start in die neue Woche! VVN

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  3. Ich bewundere ja immer wieder Deine Offenheit und wie Du das alles hier so frei erzählst und auch erzählen kannst. Es macht mich immer wieder fassungslos, wozu Menschen in der Lage sind und wie sie mit Kindern umgehen. Was bin ich jetzt froh, wie gut es Dir geht – und Du hast ja auch nicht nur Wolf. Aus Deinen Zeilen klingt so viel Lebensfreude. Das ist gut so, lieber Valentin. (ich hoffe, ich habe Deinen Namen jetzt nicht in falscher Erinnerung – oder so)
    Herzliche Grüße, das Licht

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    1. Dankesehr, liebes „Licht“! 😊

      Ohne es von irgendjemand Anderem zu verlangen, erzähle ich sogar gerne „frei und offen“ von meinem Früher- Erstmal, weil ich dadurch immer sofort merke, auf wen ich mich potenziell verlassen (und bei wem ich auch *zukünftig* auf Verständnis hoffen) kann. Außerdem, weil ich extrem häufig die gleiche Offenheit zurückbekomme und schon lange die Bilanz ziehen muss, dass ich WEITAUS mehr Betroffene von Gewalt kenne, als Nicht-Betroffene. So traurig das im Grunde ist, so schafft die Offenheit stets einen Dialog, und damit ist bereits viel gewonnen- 🙂

      Herzlichste Grüße zurück, und auch dir weiterhin viel Freude und Amselabenteuer! VVN

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      1. Lieber Valentin, es ist nicht selbstverständlich, mit der eigenen Offenheit so viele positive Erfahrungen zu sammeln. Von daher ist es doppelt-schön zu lesen, dass es Dir damit so herrlich gut ergeht.
        Obwohl man ja eigentlich sagt: Man zieht an, was man aussendet oder auch was man sät, das erntet man auch.
        Ich will mich jetzt nicht zu weit rauswagen, denn eigentlich kenne ich Dich ja gar nicht. Doch mal von Deinen geschriebenen Worten ausgehend, habe ich das Gefühl, dass Du ein sehr liebenswerter, herzlicher und guter Mensch bist.
        So, das zu schreiben, war mir jetzt mal ein Bedürfnis. Jetzt ist aber genug damit.
        Herzliche Grüße, Kaya Licht

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      2. Liebe Kaya! 😊

        Danke für’s Rauswagen und deine herzlichen Worte! Ich war (und bin) selbst immer wieder überrascht davon, wie viel positive Resonanz ich bekomme, besonders eben auf die weniger schönen Aspekte meines bisherigen Lebens- 😮

        Inzwischen hat mich diese Resonanz aber an den Punkt gebracht, an dem ich denke: „Man kann es den Leuten schlichtweg NIE ansehen, was sie eventuell bereits hinter sich haben.“ Und bin dann widerum *noch* offener. Wer weiß: vielleicht hat man direkt einen Gleichgesinnten oder zukünftigen Verbündeten vor sich- 😊

        Ganz herzliche Grüße zurück und mach dir einen wundervollen Abend! VVN

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      3. Hallo lieber Valentin,
        sorry, dass ich jetzt erst schreibe, doch irgendwie tauchte in den vergangenen Tagen nicht jeder Kommentar unter den „Unterhaltungen“ auf. Manchmal ist es hier eine Krux.
        Natürlich weiß man nie so genau, wie ein Mensch, der hier schreibt, wirklich ist und man kann nur nach dem Bauchgefühl gehen oder nach dem, was man liest.
        Naja, wenn ich Dich lese, dann fühlt es sich einfach gut und echt an. Das gefällt mir einfach und deshalb lese ich Dich gern… 🙂

        Herzliche Grüße von Herzen, Kaya

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  4. Lieber Valentin,
    deine Vergangenheit macht mich unheimlich traurig und fassungslos. Wieviel Leid du schon in jungen Jahren erleiden musstest.
    Aber zum Glück hast du jetzt ja Wolf, bei dem du dich sicher und geborgen fühlen kannst.
    Ich wünsche dir einen schönen Sonntag.
    Liebe Grüße
    Monika

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    1. Liebe Monika, über das „Jetzt“ bin ich ebenfalls unglaublich froh- 😊

      Ich hatte das Glück, trotz aller Scheiße zu den richtigen Zeitpunkten auf die richtigen Menschen zu treffen, und diese Begegnungen jedes Mal als Chance erkennen/wahrnehmen zu können- 🙂

      Ohne das (und ohne Wolf) wäre ich ganz woanders.

      Hab du einen wundervollen Montag! VVN

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  5. Was für eine Fülle es bei Dir, bei Euch zu lesen gibt! Und wie viel hast Du hinter Dich bringen müssen, um da sein zu können, wo Du jetzt bist. Die Menschen, deren Liebe Du jetzt fühlst, werden Dir helfen, im Jetzt zu leben und Erinnerungen, Gedanken und Gefühle von damals kommen, aber auch wieder gehen zu lassen, bis sie ruhen können. Das Leben ist schön und auch Du darfst es erfahren!

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    1. Danke dir, auch dein Kommentar hat mich sehr gefreut! 😊

      Es ist übrigens immer wieder schön, zu lesen, wie sehr du in deiner Verbindung zu deiner Herrin aufgehst und ihr Beide darin Sicherheit, Geborgenheit und (Selbst-)Erfüllung findet. Das kann ich zutiefst nachempfinden- 🙂

      Ganz liebe Grüße! VVN

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      1. Das ist sehr schön – und Menschen, die vermissen, was wir haben, sagen wir: Zuversichtlich bleiben! Es gab genug Zeiten, in denen wir Beide nicht geglaubt hätten, solch Glück zu finden.

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  6. Es gibt so einen Spruch „man sucht sich die Eltern aus, die man geradeso überleben kann. Und ich bin immer wieder überrascht, das dies bei so vielen Menschen tatsächlich zutrifft.
    Vieles aus solchen Lebensgeschichten kommt mir immer irgendwie bekannt vor .
    Alles Gute!

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    1. Danke, liebe Katja! 😊

      Ich versteh auch, was der Spruch aussagen soll, insofern alles gut 🙂 …

      Nur ist das Problem, dass man sich seine Eltern ja leider *NICHT* aussuchen kann – und könnte man, würde man sicher höhere Ansprüche setzen, als „sie gerade so zu überleben“!

      Könnte man, gäbe es an Kindern keine Gewalt und keinen Missbrauch mehr auf der Welt. Wie schön wäre das! Lass es dir gutgehen! 😉

      VVN

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  7. Oha, das ist ja richtig „krass“, wie Deine Generation sagen würde (meine sagt noch „heftig“), was Du in Deiner Kindheit erlebt hast, und dann auch noch auf dem Dorf, schlimm. Natürlich musst Du Dich dann unbedingt fernhalten von den Pflegeeltern. Sie hätten allen Grund zum Psychiater zu gehen und Dich auf Knien um Verzeihung zu bitten! Gut, dass Du dieser Hölle entkommen bist und die „Großen“ Dich beschützt haben, Glück im Unglück. Liebe Grüße, Paula

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