Hilfe bei der Essstörung. NICHT.

Ohne jede Frage ist Wolf ein Bisschen insane. Heute wachten wir Beide gegen 09:07 auf, vermutlich weil das Bad rief und wir beim Fasten schließlich Tee und Wasser trinken wie nur was. Kaum hatte ich mir allerdings Zahnpasta auf meine Zahnbürste getan, stand Wolf, SELBST ZÄHNEPUTZEND, direkt wieder auf seinem Balance Board

Die ganzen drei Minuten blieb er konsequent dort, balancierend. Anschließend drehte er die Anlage in der Küche auf, erneut mit The Prodigy, und begann mit Hanteltraining, Sit Ups, Liegestützen, etc.- Gestern ließ er sich sogar seine Rennradrunde nicht nehmen. Fasten hin oder her. Nichtmal *ich* bin so verrückt. 🤔

Der heutige Stand auf der Waage… 

• Wolf: minus 2,0 KG (= in den letzten zwei Tagen)

• Ich: minus 2,9 KG (= seit Fastenbeginn vor 3 1/2 Tagen).

YAY. 😀😀😀

Komme ich allerdings zur Überschrift. Das Thema hätte längst einen Beitrag verdient gehabt, es kam jedoch nie ein guter Zeitpunkt… Bis jetzt

Der Klopshauptverantwortliche, siehe: Klopsfreunde!, äußerte sich gestern in Sorge um mich – natürlich ehrlich lieb (= und hey, ich mag dich auch). Dadurch wurde ich gedanklich zurückversetzt in die Zeit, in der ich mir Hilfe suchte wegen meiner Anorexie, weil ich mich NOCH NICHT mit ihr arrangiert hatte

(Anm.: ich sage hier immer „Anorexie“, weil es kurz und gängig ist, und sich jeder zumindest oberflächlich etwas darunter vorstellen kann… KORREKT in meinem Fall wäre die Gesamtbezeichnung: Anorexia Nervosa, F50.0, restriktiver Typ.)

Jedenfalls. Ich war mir der Problematik trotz des Noch-nicht-Arrangierens deutlichst bewusst. Es gab keinen Verdrängungsprozess Richtung: „Och, ich hab nix.“ Zusätzlich hatte ich viel angelesenes Fachwissen, die Rückmeldung von ehemaligen FreundInnen (= „Man sieht deine Rippen durch dein Shirt“, „Deine Knie sind der dickste Teil deiner Beine“, „Du siehst aus wie ein KZ-Opfer“ 🙄), und meinen Instinkt.

Und der sagte zu jener unseligen Zeit: „Du brauchst Unterstützung, sonst kommst du nicht mehr alleine dort heraus.“

Deshalb suchte ich eine Beratungsstelle für Essstörungen auf, wo drei BeraterInnen unabhängig voneinander bestätigten, was ich selber längst wusste: „Klarer Fall von Magersucht“. Anschließend ließ ich mich wie ein Stück Vieh regelmäßig vom dazugehörigen Hausarzt wiegen, meine Blutwerte überwachen, ging zu allen Folgeberatungsterminen, hielt meine FreundInnen eingeweiht, zog einen Klinikaufenthalt hier in Betracht UND WAR „BRAV“. 💀🐙💀🐙

Ich war der kooperativste, offenste, netteste Patient – kein Scheiß. So sehr hatte ich die Nase voll, gestrichen voll davon, von der Anorexie (s.o.) alltäglich hart beeinträchtigt zu werden. Dabei gefielen mir, ebenfalls instinktiv, von Vornherein etliche Dinge in diesem Ärzte-/TherapeutInnen System nicht: beginnend dabei, dass alle lediglich die Essstörungssymptome wegtherapiert haben wollten, ohne weitere Ursachenforschung.

Nur, weil ein BMI plötzlich wieder über 17,5 liegt und der Betroffene sich wieder „traut“, hochkalorisch-fettige/süße Sachen zu sich zu nehmen, ist noch lange nichts gewonnen. Sowas kratzt bloß an der Oberfläche und dient imho ausschließlich dazu, dass sich die betreffenden Ärzte auf die Schulter klopfen können: „Geil. Wieder jemanden erfolgreich aufgepäppelt und in die freie Wildbahn entlassen! Das Zielgewicht ist erreicht, was soll da schiefgehen!“ 😒

Viel schlimmer war jedoch, dass besagte BeraterInnen meinen FreundInnen die katastrophalsten Szenarien einredeten. 

Es stimmt zwar, dass Essstörungen häufig mit Verheimlichen, Leugnen und totalem Selbstbeschiss einhergehen. Auch ich kenne die Tricks: schnell noch vor’m Wiegen 1,5+ Liter Wasser trinken, Nahrung bei Tisch heimlich in die Serviette wickeln und nachher wegschmeißen, in der Öffentlichkeit „dauernd“ Schokolade snacken, damit jeder denkt, die Welt wär in Ordnung… Aber: das war *NICHT ICH* damals! 

Wie gesagt, die Leutchen hatten in mir einen Patienten mit Dem Totalen Genesungswillen und es gab keine Lügen, keinen Bullshit, gar nichts! Mit den FreundInnen setzte ich mich sogar weiter in Restaurants und aß dort in der Gemeinschaft, obwohl es mich *scheißen-viel* Überwindung kostete und ich bei jedem Bissen fast losheulte. 😟

Nichtsdestotrotz nahmen die BeraterInnen meine KumpanInnen zur Seite: „Vertraut Valentin nicht! Ihr esst zwar gemeinsam, aber wer weiß, wie diese Essensmenge später kompensiert wird! Ihr könnt nicht vorsichtig genug sein! Geht davon aus, ständig belogen zu werden!“ 

KOMPLETT an mir als Patient vorbei. 😱

Die Lunis haben diese Problematik bereits bestens in ihrem großartigen Video geschildert (= klickt den Link 💖)… Ich fühlte mich demnach unfassbar ungesehen, meine Kooperation wurde mit dieser unangebrachten Warnung komplett geschmälert, und das „Zwietracht sähen zwischen meinen wichtigsten Kontaktpersonen und mir“ empfand ich als richtiggehend gewaltvoll. 

Meine FreundInnen hatten mir *VOR* ihrem Angehörigen-Gespräch bei der Beratungsstelle vertraut… Und das völlig zu Recht!!! 

Im Anschluss taten sie es nicht mehr. 💀

Dieses Misstrauen und das Alles-bei-mir-anzweifeln führte letzten Endes dazu, dass sich mein Zustand unglaublich verschlechterte. Ich zog mich von den FreundInnen zurück – daher „ehemalig“ – und stürzte psychisch komplett ab. Denn, so mein übermächtiges Gefühl in der Angelegenheit: wofür strengte ich mich überhaupt an? Wofür, zur Hölle, hatte ich mich so geöffnet?! 🐙🐙🐙

Ich ging nie wieder zu der Beratungsstelle, ließ diesbezüglich jede ärztlich-therapeutische Behandlung sein, und hatte jahrelang eine LECKT-MICH-Einstellung, die irgendwann zur Akzeptanz meiner Anorexie führte. Den Punkt zu erreichen, verdanke ich meiner harten Arbeit, meinem Kampfeswillen und meinem Durchhaltevermögen. Wolfs Haltung und Anwesenheit spielten selbstverständlich ebenfalls eine große Rolle, aber auch darauf musste *ICH* mich einlassen und zu Wolf: „Ja“ sagen – *ICH*, und nicht irgendwelche vermeintlichen Helfer. 

Ich habe es also (fast = WOLF!) alleine bis hierher geschafft. Inzwischen führe ich ein friedliches Leben mit der Essstörung ohne Verzicht auf Unternehmungen, Geselligkeit, Cocktail-Besäufnisse und Spaß. Ich kann frei sein, und man kann mir heute vertrauen, so wie man mir damals hätte vertrauen sollen.

Wenn ich nun dieser Tage faste, hab ich’s im Griff. Da handele *ich*, nicht die Essstörung! Mia von „Mias Anker“ schrieb einen tollen Artikel darüber: wenn ich schon ein Dasein außerhalb des essgestörten Verhaltens führen kann (= selbst wenn die Krankheit an sich bleibt), dann ist es superwichtig, dass meine Freunde/Familie/Partner dies einräumen und sehen! 😮

Womit sich der Kreis zur Einleitung schließt. Genau wie Mia freu ich mich über jede aufrichtige Bekundung von Sorge und versteh, woher das kommt. Auch beim Klopshauptbeauftragten freute ich mich! 

Ich will nur allgemein an die Welt gerichtet sagen: stellt psychisch Kranke bitte nicht unter Generalverdacht! Ordnet sie und ihr Verhalten nicht bloß danach ein, was irgendwelche Diagnosekriterien sagen. Betrachtet den Menschen an sich und habt dementsprechend auch Vertrauen!

Eventuell ist das Ablehnen von gebratenem Speck nur eine Geschmacksfrage, sogar bei einer essgestörten Person. Und eventuell ist Fasten bloß Fasten. 

Passt auf euch auf!

VVN

P.S.: hier noch was zur Aufheiterung. 😆

41 Kommentare zu „Hilfe bei der Essstörung. NICHT.

    1. Ich bewundere dich, euch auch. Ihr Lieben. 💖

      Alles Andere habt ihr treffender und besser ausgedrückt, als ich es könnte. Danke für das Video. Es ist wundervoll. 😻

      Kämpfen wir weiter. Scheiß auf die Arschlöcher. 🐙💀🐙💀

      VVN

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  1. Du musst das wohl für Dich selbst lösen. Wege finden, die Dich glücklich machen und sonst niemandem. Vielleicht findest Du ja mal jemanden, der Dir hilft, all Dein Erlebtes zu verarbeiten.
    Macht sich Wolf nie Sorgen? Er ist immerhin Dein Auffangnetz, zumindest klingt es so.
    Und welch ein Bullshit, eine Essstörung alleine zu therapieren.🙄
    Liebe Grüße und frohes Fasten
    Barbara

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    1. Dass ich es alles alleine lösen muss, macht mich oft traurig. Gleichzeitig bin ich u.A. deshalb auch sehr ressourcenorientiert und stolz auf mich. 🙂

      Dass ich mal jemanden – außer Wolf und MIR SELBST – finde, der mir hilft (und mich als gelernter Profi behandelt), glaube ich leider nicht. Seien wir ehrlich, liebe Barbara, die meisten PsychologInnen sind bereits beim Thema: „Hassverbrechen und Rassismuserfahrungen“ komplett raus. 🙄

      Wenn ich alles andere addiere, was mich NOCH betrifft, ist nach dem *spätestens* vierten Punkt Finito. Ich war bei einer zweistelligen Anzahl an Fachleuten, und jeder sagte: „Ihr Fall ist viel zu komplex und schwerwiegend, ich kann Sie nicht behandeln.“ 😟

      Daher habe ich diese Hoffnung aufgegeben und verlasse mich vorrangig auf mich selbst. Auch darauf, dass ich bei Wolf und Freunden nach Unterstützung fragen DARF, natürlich. Und Sorgen… Wolf macht sich eher *Gedanken*. Generell ist er ebenfalls sehr stolz auf mich und weiß, dass mein Leben nicht mehr in Gefahr ist.

      Käme es je wieder dazu, würde ich ihm das sofort anvertrauen und wir würden es gemeinsam auffangen. 😊

      Herzlichste Abendgrüße! VVN

      P.S.: absoluter Bullshit. Ich kenn Aufnahmen aus Kliniken, wo essgestörte Kinder gezwungen werden, eine ganze Tafel Schokolade o.Ä. am Stück zu essen. Weinend sitzen sie da, von allen angestarrt und bei Ungehorsam mit Sanktionen bedroht. Angeblich soll das helfen. Ich halte es für Missbrauch und seelische Folter. 🐙

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      1. Vielleicht kannst Du ja Fachliteratur lesen. Tja, wenn das Problem in Deutschland nicht existiert, kann Dir auch keinr helfen. 🙄

        Viel Spaß mit Undercover und liebe Grüße , Valentin, Barbara

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      2. In der englisch sprachigen Fachliteratur ist das Thema oft beschrieben. Vielleicht hilft Dir das weiter. Letztendlich basiert das Wissen von Therapeuten auf solchen Büchern. 🗽

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      3. P.S.: danke für den Tipp! 🌞

        Ich sollte an dieser Stelle vielleicht noch erwähnen, dass meine Hauptbaustellen, Plural 🙄, dennoch *nicht* bei der rassistischen Gewalt liegen, die ich erfahren habe. Mir liegt es am Herzen, Rassismus/White Privilege/systematische Unterdrückung von Minderheiten hier zu thematisieren, weil ich es als gesellschaftlich relevant erachte…

        Aber das, was mir da bis heute passiert, ist eben BEI WEITEM nicht das Schlimmste in meinem Leben (leider). Therapeutisch und lesend würde ich deshalb ganz woanders beginnen. 😇

        Nur das Beste für dich, nochmals. VVN

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  2. I’m trying to understanding something here, you are practicing abstinence during this period and while you are food fasting, intense physical activity is still in full progress? How on earth does that come about. Is Wolf in his right mind to encourage such intense physical activity in this time of abstaining? Calm down take it easy.

    Am I reading, hearing and listening right? People called you all those awful names because of your condition. Thin was never treated in this way, fat yes, always the obsession, you look pretty but you could lose some weight and now friends and foe alike are calling you ugly names. This must be quite devastating for the thin community of people. Honestly people are in need of deep therapy

    Tofu!!!!!….lol…thank goodness you still retained your sense of taste.

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    1. No, no…! Damn Google-Translate, or whatever it is- I’m not the one with all the physical activity, I am mostly *AVOIDING* physical activity, really 😅

      Therefore, Wolf is – of course – in his right mind but doing all kinds of sports himself. No matter what. I admire that, deeply even, and still call him insane (= in a loving way). 😉

      Regarding the rest, well, people have always called me names: because I was too thin (in their opinion) and „showing it off“, or because I’m a Person of Colour, or because I was too good at school (in their opinion, as well 🙄), or… The list is long.

      BUT my article here mainly adresses how I once seeked help with my Anorexia Nervosa and got the exact OPPOSITE. 💀

      That’s what this rant is all about. Thanks for commenting and asking! VVN 🌸

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      1. No need to apologize, you are right, Wolf as well! But he has, unlike me, a perfectly normal weight and lots of strength- In *his* case THAT kind of physical activity while fasting is not potentially harmful! Just crazy. 🙂

        Even more important: he’d never pressure me into joining in. I can just… Relax and drink tea. So everything’s fine. 😇

        VVN, again. 🌸

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    1. Heyhey auch an dich und euch! 🌸

      Auf Anhieb hab ich ein ganzes Gedankenpaket dazu, allerdings genau *jetzt* nicht die Ruhe, die eine angemessene Antwort erfordert. Und ich möchte hier unbedingt eine angemessene Antwort geben. Die Frage ist so wichtig! 😊

      Ich schreibe in Bälde ausführlich etwas dazu, wahrscheinlich in einem Beitrag. Danke für deinen Kommentar. Er ist wahrgenommen und gespeichert und ich setz mich schnell deshalb hin, versprochen. 🌞

      Also, liebe Grüße und bis bald! VVN

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  3. Es zählt, was hilft.
    Den Rest können die anderen „Götter (in weiß)“ stecken lassen – nur dann wäre die ganze Mühe, die sie in ihre heroische „Aufgabe“ gesteckt haben sinnlos. Und das darf in ihren Augen nicht sein. Siehe Schmidbauer „Hilflose Helfer“
    Ich denke, Du machst das schon richtig.
    Du bist schließlich der einzige, der am Ende wirklich weiß, wie es Dir geht.
    👍💚🤗

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  4. Ihr seid ja wirklich „hart“ drauf.;-) Wirklich fasten, mitten in der Spekulatius- und Lebkuchen-Zeit? Respekt, aber die ersten verlorenen Kilos sind hauptsächlich Wasser. 😉 Wie wärs mal mit meiner Fastenkur: Nach 16.00 h nur noch Joghurt 0,7 % und/ oder rohe Karotten. Lol Wünsche euch einen schönen Sonntag! LG Michael

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    1. Lieber Michael! Ich muss dir leider sagen, dass deine Aussage mit dem „hauptsächlich Wasser“ schlichtweg nicht korrekt ist! 🤔😱

      Nimmt man z.B. jemanden wie Wolf. Dessen täglicher Kalorienbedarf (= ermittelt mit dem lustigen Kalorienbedarfsrechner von der TK https://www.tk.de/service/app/2004134/kalorienrechner/kalorienrechner.app) liegt bei ~ 6000 kcal.

      Auch beim Fasten treibt er weiterhin Sport, Kalorienbedarf unverändert, also ergibt das bei 5 Fastentagen ein Kaloriendefizit von insgesamt 30 000 kcal.

      Da ein abgenommes Kilogramm 7000 kcal entspricht, wird der Wolf MITHIN locker 4,3 „echte“ Kilogramm während des Fastens verlieren! Das entspricht auch dem, was wir täglich auf der Waage sehen… Und „verlorenes Wasser“ kommt zu diesen 4,3 Kilogramm bloß noch obendrauf!

      In dem Sinne stimmt deine Aussage schlichtweg nicht, das ist letztlich reine Mathematik- 😮

      Und nun muss ich noch anmerken, dass ich solche Kommentare wie: „Das ist hauptsächlich Wasser“ bisher nur von Menschen kenne, die sehr missgünstig sind und Anderen ihren Erfolg nicht gönnen (können)! Du bist aber doch hoffentlich nicht so ein Mensch? 😯

      Lebkuchen und Spekulatius werden übrigens schon noch früh genug (von uns) gegessen! Das muss einfach sein. Und Joghurt und rohe Karotten snackt der Wolf sowieso regelmäßig.

      Habe einen entspannten Sonntag! VVN

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      1. Danke für die Information. Muss ich für mich auch mal nachrechnen. Ich bin eigentlichein Waagen-Verweigerer. 😉 Sorry, das mit dem „hauptsächlich Wasser verlieren“ ist eine Aussage die ich schon öfter wo gelesen, und auch selbst bei mir festgestellt hatte. Dies aber zurückliegend beim Fasten ohne gleichzeitiges körperliches Training. Sorry! War auch ein wenig ironisch gemeint. 😉 Euch auch einen schönen Restsonntag! LG Michael

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  5. Mir geht die Galle hoch, wenn ich lese, wie mit Menschen umgegangen wird, wenn sie nicht in die anstudierten Schubladen passen. In der Regel wird dann, weil die „Experten“ sich persönlich beleidigt fühlen, der Druck noch verstärkt. Noch dazu unterliegt das Vermitteln psychologischer Inhalte der Mode, dem was gerade angesagt ist. Ich habe mein Psychologiestudium abgebrochen und zu Erziehungswissenschaften gewechselt nicht zuletzt aus diesen Gründen. Das war mir alles zu beschränkt und ohne Berücksichtigung menschlicher Individualität. Zu jener Zeit gab es generell überhaupt keine Vererbung, auch nicht von Ängsten oder Traumata und der Leitsatz war im Grunde: Die Mutti war schuld. Andere Umweltfaktoren wurden nur am Rande betrachtet, obwohl diese in höherem Alter von Kindern viel prägender sind. Auch hatte ich das Gefühl, dass es eine Vielzahl von Studenten gab, deren Hauptinteresse darin lag, die eigenen Macken auszubügeln, die mir zum Teil beträchtlich erschienen. Leider waren gerade diese sehr selbstverliebt. So fragte ich mich, wie diese später in der Lage sein wollten, Patienten zu behandeln/beurteilen, ohne den eigenen Filter über jede Aussage zu legen und demnach nur Schaden anrichten würden. Das klingt jetzt alles etwas überheblich, bin ich auf dieser Ebene vielleicht auch, aber ich bin da echt allergisch.
    Ich habe in meinem Leben nur zwei Psychiater kennengelernt, die ich respektieren konnte. Einer davon behandelte meine Tochter, die ich mit zweieinhalb Jahren halb verhungert zusammen mit ihrer neugeorenen Schwester aus Sri Lanka holte. Dieser Arzt wollte sie nicht umbauen und war wie ich der Meinung, dass bei allem ihr kultureller Hintergrund nicht zerstört werden dürfe.
    Was die Lösung seelischer Knoten betrifft, hab ich beste Erfahrungen mit Familienaufstellung gemacht. Ich machte eine für meinen Sohn, der nach dem Tod seiner Schwester völlig abdriftete, nicht mehr aß, nicht mehr schlief und fast nicht mehr erreichbar war. Es klingt unglaubwürdig, doch bereits auf der Rückfahrt erhielt ich plötzlich Nachrichten von ihm. Es geht ihm heute gut, er hat seinen ganz eigenen Weg gefunden.

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    1. Danke für deinen ausführlichen, äußerst nachvollziehbaren Kommentar! Ich antworte dir hier auf jeden Fall noch genauer, es dauert bloß ein Bisserl. 😉

      Oh. Kannst du dem Hubert (siehe unten) mit seiner Frage weiterhelfen? Denn ich weiß bisher nichts über Familienaufstellungen, außer, dass es sie gibt- 😅

      Genieße deinen Abend! VVN

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  6. Frage: gibt es Familienaufstellungen, die mit Bert Hellinger nichts zu tun haben? Denn über Bert Hellinger habe ich schlimmste Dinge gelesen. Unter anderem, dass er sehr affine Einstellungen zum Nationalsozialismus hat und bei ihm grundsätzlich immer die Frauen die Schuldigen sind, wenn eine Ehe scheitert. Ich könnte noch mehr über ihn schreiben, will es aber dabei belassen, es würde sonst zu weit führen und mir Bert Hellinger das nicht wert ist.
    Hubert

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    1. Oha, lieber Hubert. Ich bin ehrlich, ich kenne mich mit Familienaufstellungen und deren Erfinder zu 0% aus. Insofern muss ich genauso recherchieren wie du und kann dir diese Frage nicht beantworten… 😮

      Vielleicht kann es ja deine Vorkommentatorin? 🙂

      Ich wünsch dir was! VVN

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    2. Hallo Hubert,
      ich kann dir nur Thomas Schäfer empfehlen, dessen Termine man im Netz einsehen kann. Er arbeitet zwar auch nach Bert Hellinger, was die Familie als System betrifft, jedoch nicht auf die radikale Art von Hellinger. Kein Zwang, keine Forderungen. Vielleicht willst du auch erstmal ein Buch von Schäfer lesen? „Was die Seele krank macht und was sie heilt“ ist recht gut.
      Ich habe übrigens am 22. und 31. januar 2018 von meiner Familienaufstellung berichtet. Falls du das nicht finden kannst, schick ich dir das gerne auch per email.

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      1. Hallo „romantische Caroline“, wenn ich dich so nennen darf. 🙂
        Ich konnte deine beiden Beiträge schon finden. Wichtig ist immer, dass jemand Vertrauen zu seinem Therapeuten hat. Ich weiß von Bert Hellinger nur, dass er ein katholischer Missionar in Südafrika war, bevor er sich auf seine Familienaufstellungen verlegte. Ich weiß auch von einem Fall in Dresden, wo sich eine Frau, sie war Ärztin, nach einer Familienaufstellung von Hellinger, Suizid beging. Hellinger macht auch „Sitzungen“ zugleich mit hunderten von Leuten, das kann nicht gut gehen. Die Einstellungen von Hellinger kann ich nur voll ablehnen, vor allem viel zu hierarchisch und zu autoritär. Die Frau ist unter dem Mann usw. Zum Beispiel sagt er auch einmal, dass eine Frau nur Krebs bekommen hat, weil sie mit ihrem Mann nicht gut umging. Mir ist es unverständlich warum er so viele Anhänger fand. Vor allem bin ich ganz weit weg von allem Esoterischen.
        Vor allem ist sein Verhalten bei sexuellem Missbrauch inakzeptabel, wo er Kinder sagen lässt: Mutter oder Vater, für dich tue ich es gerne. Deswegen würde ich penibel darauf achten, wenn ich an so einer Familienaufstellung teilnehmen würde, dass der Therapeut NICHTS, aber auch schon gar nichts mit Hellinger zu tun hat

        Hier ein Abschnitt aus einer bayerischen Internet-Seite:

        Wir wissen aus Forschung und Fallberichten, dass es sehr wohl Täter und Opfer gibt, Hellinger behauptet etwas anderes. Er sieht im sexuellen Missbrauch keine persönlich zu verantwortende Tat sondern „den Tätern, seien es Väter, Großväter, Onkel oder Stiefväter, wurde etwas vorenthalten, oder es wird etwas nicht gewürdigt, und der Inzest ist dann ein Versuch, dieses Gefälle auszugleichen“. Die Schuld ist nach Hellinger bei der Frau bzw. der Mutter zu suchen, denn sie überlässt dem Mann die Tochter. Das Leid der Opfer, auch von Misshandlung und Vernachlässigung, findet keinerlei Beachtung und Würdigung. Missbrauchsopfern werden Lösungssätze wie „Papa, für die Mama tue ich es gerne“ vorgegeben, die eine Zustimmung zur Tat ausdrücken. Hellinger nimmt die schweren Schädigungen von Missbrauchsopfern nicht ernst, sein vorrangiges Ziel ist es, keinen, auch nicht die Täter auszuschließen. Nur dann kann die Familie gesunden. Aufstellungen mit derartigen Erklärungen stellen für die Opfer eine weitere Demütigung und Stigmatisierung vor großem Publikum dar.

        Eine ähnlich täterfreundliche Haltung bezieht Hellinger gegenüber Verbrechen, die in der Zeit des Nationalsozialismus geschehen sind, was in den letzten Jahren zu sehr kritischen Berichterstattungen über Hellinger in den Medien geführt hat.

        https://www.blja.bayern.de/service/bibliothek/fachbeitraege/Wunsch0106.php

        Das Aufstellen von Familien- oder sonstigen Sozialsystemen ist auch keine neue Entdeckung von Hellinger. Es ist ein altbekanntes Verfahren aus der Familientherapie wie sie von Virginia Satir und Mara Selvini-Palazzoli entwickelt wurde.

        Hier eine weitere kritische Auseinandersetzung mit Hellinger.

        Colin Goldner im Interview: ‚Hellinger hat mit Weiterbildung so viel zu tun wie Astrologie mit Astronomie‘

        https://www.managerseminare.de/ta_Artikel/Colin-Goldner-im-Interview-Hellinger-hat-mit-Weiterbildung-so-viel-zu-tun-wie-Astrol,105990

        Liebe Grüße – Hubert

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      2. Also Hellinger hat salopp gesagt, einen mächtigen Knall. Auch dieses ständige Verzeihen von Dingen, die unverzeihlich sind, akzeptiere ich nicht. Und ich lass mir auch von niemandem sagen, dass ich einen Mann, der meine Kinder tyrannisiert,nicht rausschmeißen und noch einmal ein richtiges Glück finden darf. Ich hab beides getan vor langer Zeit. Und verzeihen werde ich das niemals, was auch genau so von mir ausgesprochen wurde. Meinem Umfeld war es peinlich,nicht dass es geschah, sondern dass ich es aussprach. Das wiederum fand ich peinlich und sehr schwach.

        Auf diesem Trip ist Schäfer nicht, sonst hätt ich mich auf dem Absatz umgedreht. Er hat auch erstaunt zur Kenntnis genommen, dass die Adoptivkinder ebenso stark wie selbst geborene seelisch eingebunden sind in unserer Familie, was er nach eigenen Aussagen nicht vermutet hatte. Er ist also lernfähig und willig.
        Hellingers Aussagen zu Missbrauch entspringen einem kranken Geist. Missbrauch ist in meinen Augen Mord, weil es die Seele tötet. Ich wäre noch heute in der Lage, jemanden zu töten, der meinen Kindern Gewalt antut. Allerdings würde ich dafür auch die rechtlichen Konsequenzen tragen. Möge es nie dazu kommen.
        Bei Familienaufstellungen, von denen ich so höre, fehlt oft die Eernsthaftigkeit. Wie überall ist auch da vieles Geldmacherei.Also wähle sorgfältig aus und suche lieber länger. Viel Erfolg.

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  7. Dein Beitrag hat mich wirklich betroffen gemacht. Was nutzen all die Lektionen in Sachen Nahrungsmittelzuführung, wenn der Ursache nicht nachgegangen werden kann.
    Es scheint, als habe jeder Psychotherapeut sein Instrument, seine Scheuklappen – und sobald etwas irgendwie nicht in den Karteikasten hineinpasst muss er passen.

    Und wenn du über Schubladendenken schreibst, findest du mich hier vor dem Computer immer wieder mit dem Kopf nicken. Mit Menschen kommunizieren ohne dass man sofort in eine Schublade gesteckt wird, scheint eine schwere Übung zu sein. Aber ich denke – wenn man das möchte, kann man das lernen.

    Wie schwer muss das sein, wenn man weiß, dass die anderen einem nicht so recht vertrauen … das geht ja schon fast in selbsterfüllende Prophezeiung. Ich finde das schlimm. Du willst vorwärts gehen und sie hängen dir noch einen Mühlstein ans Bein.
    Umso mehr finde ich es bemerkenswert, dass du dich allmählich davon lösen kannst. Wichtig ist, was Du denkst und fühlst und deinen Körper annehmen kannst, wie er ist. Klappt bestimmt nicht alles auf einmal – aber Schritt für Schritt für Schritt.

    In diesem Sinne – liebe … ach was … kraftvolle Grüße von Sabine aus dem 🕷 🕸

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  8. Noch etwas zu Hellinger. Wie klingt das etwa in den Ohren einer emanzipierten Frau, die ihre Erfüllung nur darin findet, wenn sie viele Kinder gebärt:

    „Auch zwischen den Geschlechtern gibt es für ihn eine klare Rangfolge: Die Frau folgt dem Mann. Außerdem vertritt Hellinger die Ansicht, eine Frau könne sich nur entfalten, wenn sie einen Mann hat und ihre größte Erfüllung erhält sie durch viele Kinder. Gegen diese universell gültigen Gesetze der Ordnung darf nicht verstoßen werden, da dies sonst zu Verstrickungen führt, welche psychische und physische Erkrankungen hervorrufen.“
    https://www.blja.bayern.de/service/bibliothek/fachbeitraege/Wunsch0106.php

    LG Hubert

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  9. @romantickercarolinecasparautorenblog
    Volle Zustimmung zu deinen Ausführungen und zu deiner Einstellung. Deine Haltung zollt mir Respekt ab. Ich habe zur Zeit keine Absicht und auch keine Notwendigkeit eine Therapie zu machen. Aber wenn ich Hellinger höre, dann stehen mir die Haare zu Berge. Tragisch finde ich, dass er so viele Jünger hat, die alle ohne qualifizierte Ausbildung auf die Leute losgelassen werden. Hellinger selbst empfinde ich als Katastrophe, der nur Unheil stiftet, vor allem bei Frauen und Kindern. Deshalb habe ich nachgefragt und mich auf die Abhandlung eingelassen.

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