Der Fremde.

Soziale Kontakte pflegen. Ich fahre einen Bekannten besuchen. Spontan. Unglücklicherweise hat er gerade noch Besuch. Den kenne ich nicht. 

Wir sind also zu Dritt. Nur kurz. Trotzdem. Coronakonform geht anders. Uncool. Manchmal ist es dann aber so. Meine CoronaSünden kann ich an zwei Fingern abzählen.

Als GesprächsEinstieg dient Fußball. Ein gern gesehenes Thema. Vor allem, wenn man sich zum ersten Mal begegnet. 

Aber das wechselt schnell. Zu Corona. 

Ich ziehe mich aus dem Gespräch zurück. Habe keine Lust, mich darüber auszulassen. Mich zu beteiligen. Vielleicht auch, weil ich nicht bei allem mitgehe, was so gesagt wird. Manche Diskussionen ermüden mich einfach. Selbst die Wissenschaft forscht noch: aber ihr macht auf Virologen. Wie zur WM, oder EM. Wenn alle auf einmal BundesTrainer sind.

“Ich hasse Juden.”

Das kam unerwartet. Immer schön, neue Leute zu treffen.

“Wieso hasst du Juden?”, fragt mein Bekannter.

“Mmmhhh. Weiß ich nicht.”

Innerlich brennen meine Sicherungen sofort durch. 

“Alter, das kann doch nich dein Ernst sein. Wie dumm ist das denn? Du sagst, dass du Juden hasst. Was an sich schon echt nicht cool ist. Und auf die Frage: ‚Warum?‘ antwortest du mit: ‚Weiß ich nicht‘. Wo ist da die Logik? Was ist da los? Wie dumm ist das.”

“Ja, dann bin ich halt dumm.”

Eigentlich könnte man hier schon aufhören. Ehrlich. 

Natürlich kennt er keine Juden. Hat wahrscheinlich noch nie einen getroffen. Ach, ja. Eigentlich ist er ja selbst halbjüdisch. Wegen seiner Oma. Erzählt er danach. 

Ich kann nicht mehr.

Julian Carax

P.S.: im Laufe der Woche werde ich mich zu dem Thema nochmal äußern. Für den Augenblick soll das hier aber so stehen bleiben.

30 Kommentare zu „Der Fremde.

    1. Ich denke, dass ist nicht unbedingt von der Nationalität abhängig. Obwohl du gerade bei diesem Fall vielleicht Recht hast. Eine Ausrede oder Legitimierung ist es dennoch nicht.

      Ein langer Weg ist noch vor uns.

      JCarax

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      1. Das „Dumm“ ist weder als das eine, noch das andere gemeint.
        Nachgequatscht, ohne darüber nachzudenken, das dürfte es wohl treffen.
        Oder die Sehnsucht nach Aufmerksamkeit?
        Wie auch immer, nein, sowas geht nicht.

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    1. Fußball war ja nur das EinstiegsThema. Das war schon durch. Der Kontext war dann mehr oder minder Corona. Wobei das keine Rolle spielt. Diese Äußerung ist halt nicht tolerierbar. Egal in welchem Kontext.
      Was zum Fick? trifft es da sehr gut 😉

      JCarax

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      1. Ja, auch „mit“ Kontext ist die Aussage unmöglich. Ich glaube, mein Gehirn hat sich ein bisschen an der Vorstellung aufgehängt, wie ihr da sitzt, über G‘tt und die Welt und Fußball (oder Corona) redet, und völlig zusammenhanglos kommt dieser Satz…

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    1. Ich liebe die Szene! 😹

      Als ich meinen einen Blogbeitrag „Man möchte brechen“ nannte, da dachte ich auch an Severus- Und an genau DEN Tonfall, und genau DEN Gesichtsausdruck… 😆

      Themen-Crash-VVN *tüdelü*

      (Was ich von dem o.g. Hasskommentar halte, dürfte klar sein. 🐙)

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  1. Unglaublich. Gab es da eine Überleitung von Fußball oder wieso kam der plötzlich so um die Ecke?
    Du bist sofort gegangen oder hast Du versucht ihn zu erreichen? Ist wahrscheinlich zwecklos.

    Solche Begebenheiten lassen mich immer denken, es sollte verpflichtend sein, eine der Vernichtungsstätten zu besuchen. Irgendwie MUSS man solchen Einstellungen doch wirkungsvoll begegnen können.

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    1. Das Thema Fußball war schon durch. Zu dem ZeitPunkt hat sich das Gespräch schon eine ganze Weile um Corona gedreht. Und der Ausspruch kam schon sehr sehr plötzlich.

      Erreichen war nicht möglich. Mit seiner Aussage: „Dann bin ich halt dumm“ hat er mir sämtlichen Wind aus den Segeln genommen. Habe in dem Moment gewusst, dass man ihn nur schwer erreichen kann. Auf eine Weise. Er hat dann das Weite gesucht.

      Mit dem Besuch einer Vernichtungsstätte wird auf jeden Fall sensibilisiert und aufgeklärt. Tatsächlich habe ich aber das Gefühl, dass selbst sowas nicht immer helfen würde. Leider.

      JCarax

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  2. Bei manchen Sprüchen fällt einem wirklich nix mehr ein 😶
    Da bräuchte ich einen sehr guten Tag, um nachzufragen, worauf sich seine Meinung begründe.
    Ein Seufzer von
    Sabine aus dem 🕷 🕸

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    1. Ich hatte keinen so guten Tag. Daher habe ich auch nicht nachgefragt. Bin mir aber sicher, dass er keine Meinung dazu hat. Er hat nur nachgesprochen! Er hat sich noch nie wirklich damit beschäftigt. Das hat man gemerkt. Das war wahrscheinlich am Schlimmsten!

      Liebe Grüße

      JCarax

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      1. Über sowas darf man echt nicht mehr nachträglich grübeln – das bringt nix (traurig aber isso)
        In diesem Sinne – fühl dich 🤗 wenn du magst.
        Liebe Grüße
        Sabine aus dem 🕷 🕸

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