Emotionale Gewalt sichtbar machen.

Der Lockdown dauert an. Über zwei Monate jetzt schon. Die geistige, emotionale und körperliche Einsamkeit kickt voll rein. Vor allem die beiden letztgenannten Formen.

Ich merke wiederholt, wie gut einfach eine Umarmung tun würde. Eine ernstgemeinte. Beim Gedanken daran werden meine Augen wässrig.

Der JahresWechsel war bereits eher unteres Level. Letztendlich verbrachte ich ihn mit Döner und Gronkh auf der Couch. Keine GlanzStunde meines irdischen Seins. Wenigstens habe ich davor auf meinen Bauch gehört. Ging echt nicht anders.

Dieser Umstand. Die Einsamkeit. Akute Langeweile. Mein Hang zum menschlichen Voyeurismus.

Tadaa. Ich habe mir sofort am zweiten Januar „Tinder“ installiert. Profil angelegt und los. Es geht also weiter mit den GlanzStunden. 🤣🤣

Unterhalten tut es. Keine Frage. Lustig ist es auch. Für mich. Verstörend. Sowieso. Ich liebe Menschen. So sehr, wie ich sie hasse.

It’s a Match. Dritter Januar, SonntagAbend.

Wir schreiben. Es ist nett. Wir sind einander sympathisch, sie und ich. Halten ein Treffen für das (nun vergangene) Wochenende fest. Tauschen Nummern. Texten uns noch kurz auf WhatsApp.

Dienstag kommt eine SprachNachricht. OK. Mag ich nicht. Bin ich kein Fan von. Egal, ob ich höre oder spreche. Sie versteht es. Hatte trotzdem Hoffnung, meine Stimme schon mal zu hören.

Mein Bauch meldet sich.

Ich sage ihr, dass ich noch bis Ende Januar zuhause bleiben muss. Sie erwidert, dass sie erst dann wieder auf GeschäftsReise muss. Was ja super passt! Zwinker. Zwinker.

Wir haben uns noch nicht mal gesehen.

Mein Bauch meldet sich wieder.

Das Treffen steht für SamstagNachmittag.

Ich sage ab. Zwei Stunden vorher. Bin in mich gegangen. Dieses Gefühl ist da.

Schreibe es ihr. Freundlich. Verständlich. Ehrlich. Erwachsen.

Sie kann es nicht verstehen. Klar, sie kennt mein Gefühl nicht. Darum probiere ich es nochmal mit einem ausführlichen ErklärungsVersuch.

(Anm.: eigentlich bräuchte ich das nicht machen!)

Und sie:

„Was hat Mich…?“

„Was habe Ich…?“

„Ich halte Mich…“

„Die Woche hatte Ich…“

„Ich möchte nicht…“

Scheiße, es geht hier nicht um dich! Warum muss ich mich denn rechtfertigen? Meine Grenzen erklären? Vor einer Person, die ich kaum kenne. Noch nichtmal persönlich. Warum baust du so einen Druck auf?

Das sind meine Gefühle! Meine Erfahrungen! Meine Grenzen!

Lass mich in Ruhe.

Warum kann Frau/Mann/Divers das nicht einfach hinnehmen? Ist das so schwer?

Ich lösche die Nachrichten. Blockiere sie.

Muss mir dann aber von Valentin bestätigen lassen, dass meine Gefühle überhaupt valide sind. (V. bekommt einen Screenshot der Nachrichten.)

Was ist denn los? Wieso muss ich mir von einem anderen Menschen die Rückmeldung holen, dass es richtig ist, was ich fühle? Auch, wenn es Valentin ist. Das geht so nicht. Das darf nicht sein!

Die Erinnerungen an eine vergangene Zeit wiederbelebt. Der HaarAusfall immer noch sichtbar. Falle in ein tiefschwarzes Loch.

Zum Glück bin ich nicht allein.

Julian Carax

22 Kommentare zu „Emotionale Gewalt sichtbar machen.

  1. Auf den Bauch hören war schon mal richtig.
    Eine Portion Meer täte dir bestimmt wieder gut. Dort fühlt es sich ja für dich eh immer am besten an. Ist dieser Gedankengang schon abgeschlossen, oder noch in deinen Überlegungen? (Neuanfang, zurück nach Hause, Heimat)
    Virtuell aufbauen ist wirklich nicht einfach lieber Julian. Ich kann dir nur viel Kraft senden und in Gedanken bei dir sein.
    Viele Grüße Sandra

    Gefällt 2 Personen

    1. Liebe SanNit,

      das mit dem Meer ist in der Tat eine gute Idee. Aufgrund der allgemeinen Situation werde ich aber erstmal davon Abstand nehmen. Außerdem weiß ich gar nicht, ob ich nicht vielleicht in diese 15 km Geschichte falle. Vom Tisch ist die Überlegung in die Heimat zurückzukehren nicht. Es braucht halt nur Zeit.

      Danke für deine gesendete Kraft. 🙂

      Pass auf dich auf.

      JCarax

      Gefällt 2 Personen

  2. Seltsam – ich weiß nicht, warum das so ist – aber ich mag auch keine Sprachnachrichten; weder von mir, noch von anderen.
    Und was das andere anbelangt – ich denke, du hast dich ausführlich genug erklärt (auch wenn du es nicht müsstest), es ist ein Akt der Freundlichkeit. Wer dann noch immer nicht versteht, der/die muss das mit sich ausmachen.
    In diesem Sinne – bleib bei dir – bleib, wie du bist.
    Liebe Grüße
    Sabine vom 🕷 🕸

    Gefällt 3 Personen

    1. Hallo Sabine,

      SprachNachrichten sind mir wirklich suspekt. Auch wenn ich für ein paar Ausgewählte mal eine Ausnahme mache. Schön, dass andere auch so denken. 🙂

      Bei mir bleiben, gelingt mir stetig besser. Es macht mir sogar auf eine Weise Spaß. Das ist eine gute Entwicklung. Trotz oder gerade wegen der Begleiterscheinungen.

      Du bleibst bitte auch so wie du bist. 🙂

      JCarax

      Gefällt 1 Person

    1. Danke. Danke.

      Für die Umarmung und die bestärkenden Worte. Das tut gut. Mein Bauch und ich fangen auf jeden Fall gerade wieder an die Beziehung zueinander weiter zu optimieren. Das fühlt sich auch gut an. 🙂

      Du bekommst eine Umarmung zurück.

      JCarax

      Gefällt 1 Person

  3. Daß ihr Nichtverstehen für Dich Druckaufbau bedeutet, versteht sie höchstwahrscheinlich auch nicht.
    Schon deshalb sollte Dein Gefühl im Vordergrund stehen, ohne jede Erklärung.
    Wenn Du Dich hier durchliest, bist Du weniger allein als Du vermutest. Vielleicht mag Dir das ein wenig Stütze in Zeiten des Lockdowns sein.
    Beste Grüße!

    P.S.: Tinderst Du denn weiter?

    Gefällt 3 Personen

    1. Ich weiß sogar, dass ich nicht alleine bin. Vor allem durch Euch und Eure Kommentare hier. Das war mir schon oft eine große Hilfe. Dafür bin ich auch mega dankbar.

      Das Gefühl des Alleine seins im realen Leben kann es aber nicht immer aufwiegen. Leider.

      Natürlich würde und wird sie das auch nicht verstehen, dass sie doch solche Nachfragen Druck aufbaut. Daher habe ich dann auch aufgehört etwas zu erklären. Das nächste Mal lasse ich es wahrscheinlich gleich.

      Seit diesem Vorfall habe ich Tinder nicht mehr wirklich genutzt. Noch ein, zwei Mal habe ich reingeschaut. Luft ist erstmal raus. 😀

      Liebe Grüße zurück und viel Spaß gleich beim ElfmeterSchießen 😉

      JCarax

      Gefällt 2 Personen

  4. “ Wieso muss ich mir von einem anderen Menschen die Rückmeldung holen, dass es richtig ist, was ich fühle? Auch, wenn es Valentin ist. Das geht so nicht. Das darf nicht sein!” – das darf sein. Ganz sicher. Solange du es brauchst (und, klar, consent besteht.)

    Von Gronkh (bzw. Pan und Kapuzenwurm) laufen hier übrigens ständig die Phasmophobia-Videos/momentan raren streams (zumindest mit Gronkh… der ist ja momentan busy wie sonst was…). Lieb’s. Empfehlung, falls du was in Richtung witzig/wenig Plot möchtest zur Abwechslung ❤

    Gefällt 2 Personen

    1. Ich bleibe dabei, dass es nicht sein darf, dass sich ein Mensch seine Gefühle von Dritten validieren lassen muss. Weil er sonst, unter Umständen, ein unberechtigt schlechtes Gewissen hat. Vor allem nicht, wenn es durch eine fast fremde Person ausgelöst wird. Das ist kein tragbarer und gesunder Zustand. Jedenfalls für mich nicht.

      Verstehst du wie ich meine? Ich habe gerade nochmal Zweifel, ob ich dein Kommentar richtig verstanden habe.

      Phasmophobia habe ich mir schon mal angesehen. Horror ist und bleibt einfach nicht mein Ding. Daher trifft dieses Spiel und die Videos leider auch nicht meinen Geschmack.

      Vielen Dank trotzdem für die liebe Empfehlung. 🙂

      Fühl dich gedrückt.

      JCarax

      Gefällt 1 Person

      1. Aaah, ja. Ich glaube, wir haben ein bisschen aneinander vorbei geredet – du beziehst dich auf den inneren Drang und das “ist das jetzt so richtig?”, ich bezog mich auf das Erlaubenkönnen von Hilfe und Fremdeinschätzung von Situationen 🙂 Ich finde es ab und an hilfreich, Dritte drauf gucken zu lassen, ob ich etwas richtig einschätze. Aber wenn dahinter ein Müssen und Leidensdruck hinter stehen, gebe ich dir absolut Recht.

        Ah, was Horror angeht, wurde ich vom Herzmenschen ein bisschen abgestumpft ^^” Eigentlich bin ich auch kein Horror-Fan, aber bei Phasmophobia liebe ich vor allem das Geplänkel der drei. Kann deine Abneigung aber vollkommen verstehen!

        Fühl dich zurückgedrückt, wenn du magst!

        Gefällt 1 Person

      2. Ok. Da haben wir uns wirklich missverstanden.

        Aus deiner Sicht betrachtet, stimme ich dir absolut zu. Ich hole mir auch gerne mal eine andere Meinung. Gerade in solchen Gebieten. Da haben andere einfach viel mehr Erfahrung und Wissen als ich.

        Ich mag auch gedrückt werden, ja. ❤

        JCarax

        Gefällt 1 Person

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